Machtprobe in Bet-El

Predigt Amos 7,10-17

Liebe Gemeinde,

für heute habe ich das Thema "Macht" angekündigt.

Ich dachte, das wäre vielleicht ganz gut, weil wir bei der Kirche oft ein etwas gebrochenes Verhältnis zum Thema Macht haben. Alle tun so harmlos, als wollten sie keine Macht haben.

Dabei ist Macht doch ein wichtiges Thema. Auch in der Kirche gibt es Macht - und in der Theologie sowieso: Gott gehört das Reich und die Kraft, sagen wir im Vaterunser. Das heißt doch: Er hat die Macht.

Und: Heute ist Männersonntag. Macht und Männer - das war schon immer ein besonderes Thema. Männer wollen etwas bewirken. Männer wollen sich durchsetzen. Männer wollen den Ton angeben. Sie politisieren lieber am Stammtisch, als sich was erzählen zu lassen, weil sie lieber mitreden. Männer sind stolz auf ihre Kraft, auf das, was sie erreicht haben. Und wenn sie etwas erreicht haben, werden sie bald unzufrieden und setzen sich neue Ziele.

Männer und Macht - das ist eine ganz besondere Beziehung.

Machtprobe in Beth-El

Der Predigttext für den heutigen Sonntag erzählt von einer Machtprobe, die sich vor fast 2800 Jahren in Israel zugetragen hat.

Israel und Juda waren damals zwei Staaten. Im Norden lag das größere Königreich Israel, mit der Hauptstadt Samaria. Israel konnte zeitweise sogar einen Führungsanspruch unter den Königreichen der Region behaupten. Im Süden, um seine Hauptstadt Jerusalem herum, lag das kleinere Juda. Beide Staaten hatten gemeinsame religiöse und kulturelle Traditionen, eine gemeinsame Sprache, vertrugen sich mal gut, mal schlecht miteinander.

Das Nordreich Israel erlebte im 8. Jahrhundert vor Christus einen Aufschwung. Es gab keine Kriege im Inland und er König Jerobeam II regierte 40 Jahre lang. Ausgrabungen aus damaligen Hauptstadt Samaria zeigen, dass die Leute sich damals etwas leisten konnten.

Nur - nicht alle hatten an dem Wohlstand teil. Der Aufschwung kam nicht an am unteren Ende der sozialen Skala. Geld kam zum Macht und Macht kam zu Geld. Und wer weder Geld noch Macht hatte, der konnte keinen Einfluss geltend machen und wurde immer ärmer. Die Reichen schwelgten auf Kosten der Armen - und was wir heute in Museen bewundern können, war mit der Not der vielen bezahlt.

Und nun tauchte ein Mann auf, der dem König und seiner Oberschicht Essig in den Wein gießen wollte. Am nationalen Heiligtum in Bethel predigte seit einiger Zeit ein gewisser Amos. Er kritisierte die Verhältnisse: Reichtum, so sagte er, verpflichtet. Und die Reichen und Mächtigen dürfen nicht ihr Recht durchziehen, wenn andere dadurch in Not geraten. Sie sollen gefälligst Rücksicht nehmen auf die Schwachen in der Gesellschaft, und wenn sie juristisch zehn mal im Recht sind.

Und dann kündigte Amos dem Staat Israel Unheil an: Wenn die Mächtigen nicht mehr die Schwachen schützen, dann wird Gott das Königreich auch nicht mehr schützen. Und dann werden seine Feinde das Land erobern.

am Text entlang

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Amos soll also bitte nach Hause gehen, wenn er das Bedürfnis hat, seine Meinung zu sagen. Hier, im Ausland braucht man seine Meinung nicht.

Das klingt modern und tolerant. Amos darf ja ruhig prophezeien. Wenn er das für nötig hält, aber halt nicht da wo er die öffentliche Ordnung stört.

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Dazu muss man wissen, dass es damals Berufspropheten gab. Die haben jedem, der es hören wollte, Ratschläge oder Prophezeiungen gegeben, und dafür wurden sie bezahlt. Und der Priester von Bethel hatte natürlich Verständnis dafür, dass Amos sein Handwerk als Prophet ausüben wollte. Aber nur bitte nicht in Bethel. Denn da störte er das ganze Gefüge - und stellte die Ordnung der Macht in Frage.

Deswegen weist Amos die Bezeichnung "Prophet" weit von sich. Er hat einen richtigen Beruf. Er macht das nicht für Geld. Er macht das, weil er meint, dass Gott ihn da haben will. Er hat überhaupt kein Amt, keine Macht, er hat nichts zu sagen - aber er da ist eine Menge, die er sagen muss. Er muss es tun, denn Gott will es so.

Und nun geht Amos noch einen Schritt weiter: Er droht dem König selbst:

[16-17]

Das ist starker Tobak. Amos ruft die Macht Gottes zur Hilfe für seine gerechte Sache. Interessanter weise hat das nicht so ganz geklappt. Zwar ist dem Amos nichts passiert, aber auch dem König ist nichts passiert. Sein Sohn wurde König.

Allerdings wurde der in einer Palastrevolte ermordet und es gab noch einige politische Morde, bevor das Land wieder zur Ruhe kam. Wer Macht hat, hat oft auch viele Feinde.

Wie Macht funktioniert - Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?

Was ist Macht, und wie funktioniert sie?

Macht ist, wenn andere machen, was einer will. Der Vorgesetzte hat Macht über die Untergebenen, der König hat Macht über seine Soldaten. Und der Lehrer ist manchmal etwas machtlos seinen Schülern gegenüber.

Wie funktioniert das, dass andere tun, was einer will?

Es gibt dieses Sprichwort: "Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser". Es stellt die zwei Wege gegenüber, auf die man Macht ausüben kann: Entweder, die Leute hören auf mich, weil ich sie kontrolliere, oder sie hören auf mich, weil sie mir vertrauen.

Vertrauen und Kontrolle - beides kann die Beziehung zwischen Menschen prägen. Wer andere Menschen kontrolliert, der bringt sie dazu, sich und andere zu kontrollieren. Man wird kleinlich und genau. Manchmal ist das nötig, aber angenehm ist es nie. Und ein Untergebener, der dauernd kontrolliert wird, wird ausbrechen, wo er kann.

Nur wer vertraut, der kann auch Vertrauen gewinnen. Vertrauen muss man wagen. Man kann es nur gewinnen, wenn man es geschenkt bekommt. Man kann es nicht erkaufen oder erzwingen. Vertrauen muss man gewinnen. Es beruht auf Gegenseitigkeit.

Gott will die Herzen regieren

Jesus hat einmal gesagt: "Die Königsherrschaft Gottes ist in Euch."

Gottes wahre Herrschaft über seine Menschen ist nicht von außen. Er will nicht zwingen und nicht manipulieren. Er will die Herzen regieren. Mit weniger gibt er sich nicht zufrieden. Gott ist nicht zufrieden, wenn wir tun, was er will, aus Angst vor Strafe, oder weil wir nicht anders können. Er hat uns als freie Menschen gemacht, weil er unsere Liebe will. Er will unsere Herzen. Mit weniger gibt er sich nicht zufrieden.

In Psalm 8 heißt es: Aus dem Munde der unmündigen Kinder hast du dir eine Macht zugerichtet um deiner Feinde willen - Selbst Menschen, die Gott nicht achten, werden schwach, wenn ein Baby schreit. So gewinnt er ihre Herzen für die Schwachen. So herrscht Gott. Er gewinnt die Herzen.

Deswegen zieht sich diese Machtlosigkeit durch die Geschichte Gottes mit den Menschen: Abraham als Fremdling im Land Kanaan, Mose vor dem Pharao, die Propheten im Alten Testament. Die Apostel, die das alte Rom durchwanderten und den Märtyrertod fanden, bis hin zu Martin Luther, der für die Sache des Evangeliums kämpfen wollte, nicht mit Gewalt, sondern mit dem Wort.

Gott selbst hat dieses Prinzip vorgemacht: Jesus Christus hat sich seiner göttlichen Vollmacht entäußert und wurde ein schwacher, zerbrechlicher Mensch.

Wer hat die Machtprobe von Bethel vor 2800 Jahren gewonnen? Amos oder der König Jerobeam? In der Gesellschaft hat sich nicht viel geändert, damals. Und schließlich traf sogar das Unheil ein, das Amos angedroht hatte. Das Königreich Israel wurde von den Assyrern zerstört und verschwand aus der Weltgeschichte.

Aber gleichzeitig mit Amos wirkte damals auch der Prophet Hosea. Und er hat das gleiche gesagt. Auch er hat die Mächtigen an ihre Verpflichtung gegenüber den Schwachen erinnert. Die Botschaft der beiden wurde aufgeschrieben, über Generationen aufgewahrt. Vielleicht haben sie auch entscheidend dazu beigetragen, dass die Gebote der Nächstenliebe, so im Alten Testament überliefert sind. Sie wirken bis heute. Auf unsere Auffassung von Gerechtigkeit.

Wer hat die Machtprobe gewonnen? Wer hat die Welt mehr verändert? Nach wessen Worten haben sich mehr Menschen orientiert.

Durch Amos hat Gott die Herzen von Menschen verändert. Und so ist das. "Dein Reich komme," beten wir - Gott soll herrschen. Aber er will uns als seine Werkzeuge, seine Diener, damit er durch uns herrscht. Sind wir dazu bereit?

Ich denke, wir sollten damit anfangen, dass er in uns herrschen darf. Er will unser Vertrauen. Wenn wir es ihm schenken, dann kann er in uns herrschen. Und dann wird er durch uns herrschen, und wir werden seine Macht erfahren.

Aber dazu müssen wir loslassen. Denn die Kontrolle ist oft ein Feind des Vertrauens. Wer kontrolliert, der vertraut nicht. Manchmal müssen wir kontrollieren, aber doch nur dort, wo wir nicht vertrauen können.

Gott können wir vertrauen. Und er möchte, dass wir Vertrauen wagen - und so SEINE Herrschaft aufrichten. "Dein Reich komme."

Loslassen und Aufstehen

Wo hindert uns die Angst, die Kontrolle zu verlieren, daran, Gott zu vertrauen? Wo behindert der Zwang zu kontrollieren unsere Beziehung zu anderen Menschen? Können wir Vertrauen wagen? Was steht im Weg? Lasst es uns heute loslassen.

Und lasst uns aufstehen. Lasst uns Männer sein. Lasst uns die Macht Gottes in Anspruch nehmen. Lasst uns im Namen Gottes reden. Sich für Gerechtigkeit einsetzen. Auch wenn wir vor den Mächtigen dieser Welt schwach dastehen, ist doch in uns die Macht des Allmächtigen. Die Macht, die Herzen zu gewinnen.

Predigtlied Nun aufwärts froh den Blick gewandt

Otto Guggemos

 

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