Predigt zum Männersonntag am 22. Oktober 2006 (Epheser 5,21-6,4)
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Er gebe uns seinen Geist, dass wir sein Wort recht auslegen und verstehen.
Ihr Männer, liebe Brüder, ihr seid berufen, Priester zu sein. Ihr seid Mittler zwischen Gott und den Menschen. Natürlich sind auch Frauen hier, und wir alle Christen, Frauen und Männer, sind ein Volk von Priestern.
Aber heute ist Männersonntag, und ich werde darüber reden, was es bedeutet, dass wir Männer Gottes sind, berufen dazu, Priester zu sein, zuerst für unsere Familie, und dann für unsere Gemeinde.
Ihr Männer, liebe Brüder, ihr seid Priester. Ihr tragt Verantwortung für das geistliche Wohl Eurer Frauen und eurer Söhne und Töchter. Hat Ihnen das schon mal jemand gesagt? Darüber will ich heute am Männersonntag sprechen. Und ich denke, dass das auch für die Frauen interessant werden wird.
Ich habe heute zum Männersonntag einen Predigtext ausgesucht, über den normalerweise nie gepredigt wird. Er kommt in den vorgeschlagenen Predigtreihen einfach nicht vor.
Es ist ein Text, den viele nicht mögen. Hier geht es nämlich um Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Und darüber darf man heute irgendwie nicht mehr reden.
Aber ich werde es trotzdem tun.
Eph 5,21-6,4
Paulus schreibt seinen Mitchristen, wie sie zu Hause miteinander umgehen sollen:
„Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn“ – Das würde Herren so passen, denken jetzt sicher viele. Schön unterordnen sollen die Frauen sich. Immer schön brav Muttchen am Herd und um ½ 12 die Klöße auf dem Tisch. Und der Herr der Schöpfung vertreibt sich die Zeit mit Schafkopf und Bier.
Der Mann die Karriere, die Frau Haus und Kinder. So ist es richtig, so soll es sein.
Viele Männer geben das nicht zu – zumindest nicht in der Öffentlichkeit, aber das so stellen wir uns das schon oft vor. Ist es das, worum es dem Paulus hier geht? Beruf und Unabhängigkeit für den Mann, Kinder - Küche - Kirche für die Frau?
Der Text beginnt mit einem Satz, der anders klingt: „Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi“. Vielleicht erinnern sich manche an die Predigt zum Thema „Einer achte den anderen höher als sich selbst.“ - Gehalten diesen Sommer. So ähnlich ist es hier gemeint:
„Ordnet euch einander unter“, so lautet die Überschrift. Und dann geht es in die Einzelheiten:
- „Ihr Frauen, ordnet euch einander unter wie dem Herrn.“
- „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Gemeinde geliebt hat und hat sich selbst für sie dahingegeben,“
Auf einmal ist nichts mehr zu spüren von dem Pascha, der über seine Familie herrscht, und dabei alle Freiheiten geniest: Die Frau lieben, wie Christus die Gemeinde geliebt hat. Was hat Christus für die Gemeinde getan! Was für eine Liebe war das! Jesus hat sich für seine Gemeinde geopfert. Das selbe schulden wir Männer unseren Frauen.
Und es geht weiter:
- „Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in dem Herrn;“
und:
- „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Ermahnung des Herrn.“
Es geht in diesem Text in erster Linie um die Verantwortung der Männer.
Paulus hat seiner Gemeinde in Korinth einmal geschrieben:
„Das Weib schweige in der Gemeinde.“
Manche sagen, das stamme gar nicht von Paulus, wäre später eingefügt,
manche sagen, die Frauen in Korinth konnten ihren Mund nicht halten, und es
geht nur ums Schwätzen,
manche sagen, es hat in Korinth Spaltungen gegeben, die von einflussreichen
Frauen angezettelt worden waren.
Egal. Lange Zeit galt in der Kirche dieser Grundsatz, und Frauen waren von kirchlichen Ämtern ausgeschlossen.
Heute halten wir uns nicht mehr daran. Das ist auch gut so. In unserer Kirche sind Frauen zu allen Ämtern zugelassen, sie spielen meistens sogar eine größere Rolle als Männer.
Überhaupt hilft ein Blick auf die Situation, das Geschlechterverhältnis heute zu verstehen. Ich war am vergangenen Dienstag im Gemeinderat. Fast eine reine Männerrunde. Dass unsere Bürgermeisterin eine Frau ist, ist weit und breit eine Ausnahme. Ähnlich sieht es in den Vorstandsetagen unserer Firmen aus. Alles vorwiegend Männersache.
Ganz anders in der Kirche. Für die Kirchenvorstandswahl brauchen wir fast schon eine Männer-Quote, um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu bekommen. Sie sehen das auch in der Kandidatenliste
Bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern in den verschiedenen Gruppen und Kreisen der Gemeinde, im Elternbeirat, in den Bibelstunden, sogar im Kindersingkreis das selbe Bild: Reges Leben, aber fast alles Frauen und Mädchen.
Es gibt nur ganz wenige Männer, die sich öffentlich in der Kirche zeigen.
Woran liegt das? Warum ist das so? Was steckt dahinter?
Ich glaube, es ist das klassische „Kinder-Küche-Kirche“. Auch wenn wir mittlerweile im 21. Jahrhundert angekommen sind, denken viele immer noch so. Die Frau soll sich um den Herd kümmern, um die Kinder und sie kann ruhig in die Kirche gehen, wenn sie das braucht.
Wir Männer brauchen das ja nicht.
Wo engagieren sich Männer? Wo tauchen sie auf?
Ich habe den Eindruck, eine Sache muss irgendwie wichtig
sein, sonst macht es Männern keinen Spaß. Im Gemeinderat geht es um unser
ganzes Dorf, und auch um viel Geld,
bei der Feuerwehr geht es darum, Leben zu retten, das ist ziemlich wichtig.
Im Sportverein geht es darum, Tore zu schießen oder spektakuläre Punkte zu
machen, und wenn man gut ist, dann steht man in der Zeitung.
Was sind typische Männerberufe? Oft Berufe, in denen es um Technik geht. Vom Handwerker bis zum Ingenieur, alles Domänen der Männer. Frauen sind gefragt, wo es um Kommunikation geht. An der Kasse, im Büro, in der Kindererziehung.
Warum ist das so? Ich glaube, das sind Männerberufe sind, wo man die Dinge berechnen kann. Wo es um Dinge geht, die man objektiv falsch oder richtig machen kann. Wo am Ende ein Ergebnis sichtbar ist, an dem keiner zweifeln kann. Das Auto ist repariert. Es fährt wieder. Das habe ich gemacht. Das befriedigt mich.
Männer sind so, und das ist gut so. Manche Männer sind anders, und das ist auch gut so. Ich will gar nichts beurteilen. Ich will nur sagen, wie es ist.
Aber da ist auch eine Sache, die macht mir Sorgen:
Männer engagieren sich gern, wo sie die Dinge im Griff haben, wo man etwas beherrschen kann. Den Ball, die Politik, einen Verbrennungsmotor.
Aber wenn es um Dinge geht, die sich der Kontrolle entziehen. Wo die eigene Schwäche auf den Plan tritt. – Da schweigen die Herren der Schöpfung.
„Männer weinen heimlich“ - so hat es Herbert Grönemeyer gedichtet.
Wir brauchen es aber, dass wir uns unterhalten, über das, was uns Schmerz bereitet. Nur so können wir einander unterstützen.
Den Frauen fällt das oft viel leichter.
Viele Männer wollen nicht über ihr Seelenleben reden. Oder sie können es nicht. Sie machen viele Dinge mit sich selbst aus, vergraben sie tief in ihrem Herzen.
Und ich denke, mit dem Glauben ist es auch nicht viel anders. Da kann man auch nichts kontrollieren. Wir können nicht einmal beweisen, dass es überhaupt Gott gibt. Da werden die Grenzen des Verstandes überschritten.
Viele Männer wollen sich nicht auf etwas einlassen, das sie nicht verstehen. Sonst haben wir doch auch alles im Griff und brauchen die Geschichten nicht mehr, die uns unsere Großmutter erzählt hat.
Das ist ja vielleicht keine schlechte Vorsicht. Aber mit Gott funktioniert es nicht anders. Wer nur glaubt, was er sieht, kann kein Christ sein.
Was den Glauben betrifft, leisten sich viele Männer eine kritische Distanz. Sie bleiben quasi in der Wartestellung. Vielleicht stimmt es ja, vielleicht auch nicht. Aber wissen kann man’s nicht. Wem’s hilft, der kann gern daran glauben. Aber so lange ich alles im Griff habe, brauche ich keinen Gott. Und so lange brauche ich mich auch nicht zu entscheiden, ob das wahr ist, was der Pfarrer erzählt. Es ist zwar ganz nett, aber im Grunde ist es mir eigentlich.
So lange ich alles im Griff habe, bleibe ich auf Distanz zur Religion. Und bis ein Mann zugibt, dass er die Situation nicht im Griff hat, da muss einiges passieren.
Ich kenne Männer, die sterben lieber, als das zuzugeben. Sie kennen diese Männer auch, die an einer Krankheit sterben, weil sie Angst vor dem Arzt haben, oder am Alkohol zugrunde gehen, weil sie nicht zugeben, dass sie abhängig sind. Das würde ja Schwäche bedeuten. Männer weinen heimlich. Männer haben alles im Griff. Männer brauchen keine Hilfe. Ein Indianer kennt keinen Schmerz.
Also überlassen wir auch die Sache mit Gott und Glauben und Kirche unseren Frauen. Die können das ja ganz hervorragend.
Kinder - Küche - Kirche, eben, das ist die Welt der Frauen.
Wir Männer halten uns an die wirklich wichtigen Dinge. Zum Beispiel Geld
verdienen oder Regieren, oder den Rasen mähen und den Rasenmäher reparieren.
Der Bibeltext sieht die Dinge etwas anders. Er mutet uns Männern eine geistliche Verantwortung zu: Der Mann ist ein Priester für seine Familie.
Ein Mann ist für seine Familie verantwortlich. Er soll sich um seine Frau kümmern, damit es ihr gut geht.
Dazu gehört nicht nur Geldverdienen und ein Dach über dem Kopf, sondern auch das geistliche Wohl der Frau, und das Wohl ihrer Seele. Interessiert es Sie, wie es Ihrer Frau geht? So wie Christus sich um seine Kirche kümmert, so sollen sich die Männer um ihre Frauen kümmern.
Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was wir gerne machen. Wir Männer bringen das Geld nach Hause, frönen unseren Hobbies und engagieren uns in Vereinen, aber die Sorge um unser leibliches, seelisches und geistliches Wohl lassen wir unseren Frauen.
Oft erzählen mir Frauen, dass sie nicht in die Kirche gehen
können, weil ihr Mann Sonntags um ½ 12 Mittag essen will.
Ihr Männer, liebe Brüder: Wer sich so verhält, der steht dem geistlichen Wohl
seiner Frau im Weg. Das ist das Gegenteil von dem, was Gott von uns will.
Genauso ist es mit den Kindern. „Ihr Väter, erzieht eure
Kinder in der Zucht und Ermahnung des Herrn,“ heißt es hier.
„Zucht“ bedeutet Disziplin. Kinder brauchen jemanden, der ihnen liebevoll
Grenzen zeigt. Sie suchen ja ihre Grenzen.
Mit „Ermahnung“ ist ein griechisches Wort übersetzt, in dem die vier Begriffe
stecken: „ermuntern, ermahnen, trösten, ermutigen“.
Wir Väter sind verantwortlich für unsere Kinder. Nicht nur unsere Frauen. Wir sind verantwortlich für ihr leibliches Wohl, aber auch für das seelische und geistliche Wohl. Wenn Paulus recht hat, dann können wir diese Verantwortung nicht auf unsere Frauen abwälzen.
So funktioniert das doch oft: Die Mama geht in die Kirche, die Mama kocht für die Kinder, die Mama betet vor dem Essen, oder die Kinder beten; aber wo sieht der Vater das als seine Ehrenvolle Aufgabe an, mit seiner Familie zu beten? ... und die Mama hat auch ein offenes Ohr für die Sorgen der Kinder. Dabei sollen doch wir Väter die Kinder „ermuntern, ermahnen, trösten und ermutigen.“
Warum zeigen sich Männer so wenig in der Kirche? Es ist ja nicht so, dass sich Männer überhaupt nicht engagieren. Könnte man ja meinen: Die Männer sind berufstätig, und die Frauen haben mehr Zeit für den Hobby-Bereich. Ist aber nicht so. Männer engagieren sich. Siehe Feuerwehr, Sport, Politik, Gartenbau, Männergesangsverein.
Warum engagieren sich Männer so selten kirchlich? - Ich glaube, es gibt einfache Antwort:
Sie finden es nicht wichtig.
Man kann ganz gut leben, ohne dass man in die Kirche geht, und ob es Gott gibt, das weiß ja eh keiner. Religion ist etwas für Frauen und Kinder, aber richtige Männer haben für so etwas keine Zeit. Wir müssen irgendwas Produktives tun, aber eine Stunde rumsitzen und Zuhören und Lieder singen, das ist was für Frauen und Kinder.
Ich habe vorhin den Satz aus dem Korintherbrief zitiert „Das Weib schweige in der Gemeinde.“ Ich war einmal in einer Gemeinde zu Gast, wo man sich daran hält. Ich würde das für uns nicht empfehlen, aber man kann ja überall etwas dazulernen.
Ich habe mich mit einer Frau dieser Gemeinde unterhalten. Übrigens war das eine überaus moderne und emanzipierte Frau. Aber sie war davon überzeugt, dass es gut ist, wenn die Frauen in der Gemeinde ihren Mund halten.
Ihre Erklärung: Ganz einfach: Wenn die Frauen schweigen, dann sind die Männer gefordert. Wenn die Frauen nicht die Lücken stopfen, dann spüren die Männer ihre Verantwortung, dann können sie sich nicht ihrer geistlichen Verantwortung entziehen.
Die Frauen finden immer Wege, sich einzubringen, sich Gehör zu verschaffen, meinte diese Frau, aber die Männer, die schweigen viel zu gern, wenn es um Glaubensfragen geht.
Wo sind die Männer Gottes in Münchsteinach, in Neuebersbach und Abtsgreuth? Wo sind die, die für ihre Familie Priester sein wollen - und es auch sind?
Sicher gibt es einige. Zum Beispiel im Posaunenchor. Oder im Kirchenvorstand.
Aber bei vielen dieser Männer ist es auch hier so: Sie kommen nur, wenn sie auch etwas zu tun haben. Ich kann niemandem ins Herz schauen, aber ich vermute, es liegt genau daran: Wir Männer wollen immer etwas Sinnvolles tun, etwas Produktives. Anderen etwas geben ist sinnvoll. Aber einfach nur da sein, einfach nur Hören und Empfangen, das ist für uns Männer viel schwieriger. Das fällt vielen Frauen leichter als uns.
Ich rede da aus eigener Erfahrung. Deshalb ist es mir so wichtig, am Gottesdienst teilzunehmen, wenn ich einen freien Sonntag habe. Weil ich weiß, dass ich das brauche. Weil erst dann wirklich klar ist, dass Gottesdienst kein Hobby ist und kein Job, sondern das, was es eben sein soll: Gott dient mir und ich diene Gott. Weil ich ihn brauche. Das ist die Demut, die aus uns Männer Gottes macht.
Es gibt bei uns einige Männer, vor allem aus der älteren Generation. Die sind meine Vorbilder. Die wissen, dass sie Gott brauchen. Sie hätten auch genug Gründe, nicht in die Kirche zu gehen. Aber sie kommen einfach, und legen damit ein Zeugnis ab für uns jüngere.
Ich freue mich über die Frauen, die sich in der Gemeinde engagieren. Ohne Sie ginge hier überhaupt nichts mehr. Zumal in Münchsteinach, wo es so viele Aktivitäten gibt.
Aber - ohne die Frauen beleidigen zu wollen - noch mehr
freue ich mich über die wenigen engagierten Männer. Weil ich weiß, dass es für
einen Mann mehr kostet, öffentlich zu seinem Glauben zu stehen,
dazu zu stehen, dass er Gott braucht,
dazu zu stehen, dass er etwas glaubt, was er nicht beweisen kann.
Unsere Jungs brauchen solche Männer wie Sie. Unsere Gemeinde braucht sie, unsere Familien.
Wo sind die Männer Gottes in unseren Dörfern? Wann werdet ihr aufstehen und ihren Glauben bekennen, nicht nur in frommen Formeln, sondern in euren eigenen Worten, aus ganzem Herzen und durch euer öffentliches Engagement. Wann werdet ihr anfangen, durch echtes Fragen und Forschen in der Heiligen Schrift zu zeigen, dass ihr Gottes Wort braucht.
Natürlich gilt das auch für die Frauen. Unsere Dörfer brauchen Ihr Zeugnis, Ihren Glauben, aber es geht nicht an, dass die Männer fast die ganze Verantwortung Ihnen zuschieben. Darum geht es mir heute, am Männersonntag.
Ihr Männer, liebe Brüder. Ihr seid berufen, Gott zu dienen. Ihr seid zu Priestern berufen. Ihr könnt Verantwortung übernehmen für das geistliche Wohl eurer Frauen und Kinder.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
von Otto Guggemos