Jesus sprach: Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind's, die auf ihm hineingehen.
Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind's, die ihn finden!
Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.
An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
Liebe Konfirmanden, liebe Gemeinde,
haben Sie schon mal eine Schafherde aus der Nähe betrachtet? Ich habe das mal gemacht und ich fand es wunderbar. Die sind nämlich alle verschieden, die Schafe. Da gibt es kleine, putzige, die an ihren Müttern hängen. Und etwas größere, die spielen und raufen - wilde Jungs eben.
Aber viel mehr genossen habe ich es noch, mir die Erwachsenen Schafe genauer anzusehen. Lauter Charakterköpfe. Keins wie das andere. Manche sehen klug aus, manche ein bisschen komisch. Manche schauen streng in die Ferne, manche machen Turnübungen, um an das Gras auf der anderen Seite des Zauns zu kommen.
Und wissen Sie, was das witzigste ist? Das blöken klingt genau so, wie wenn Menschen Schafe nachmachen. Ich hatte immer gedacht, es wäre umgekehrt. Aber nein. Schafe klingen wie Menschen, die blöken. Alle verschieden, aber ganz menschlich.
Heute ist der Hirtensonntag und ich habe heute eine Zumutung für Euch und für Sie: Ich nehme mir die Freiheit, Sie mit Schafen zu vergleichen. Nein, das soll keine Beleidigung sein. Es ist gute biblische Tradition.
Heute möchte ich darüber reden, was der Unterschied ist zwischen einem dummen Schaf und einem schlauen.
Ich lese das Evangelium für den Sonntag zum Guten Hirten. Es steht im Evangelium des Johannes im 10. Kapitel.
Ein schlaues Schaf kennt nicht den Weg, aber es hält sich zum Hirten.
Jesus ist der gute Hirte. Er passt auf uns auf. Er zeigt uns den Weg.
Einen besseren Hirten kann man sich nämlich nicht vorstellen. Er ist treu. Er kennt die Zukunft. Er ist ewig und allmächtig. Und er will unser Freund sein.
Der gute Hirte muss um seine Herde kämpfen. Es ist nämlich nicht eitel Sonnenschein auf der Welt. Das Leben ist gefährlich. Man kann viel verkehrt machen.
Wir wissen das - weil wir es erlebt haben. Wir haben falsche Entscheidungen getroffen und hatten darunter zu leiden - oder noch viel mehr: wir haben unter den Fehlern anderer Leute gelitten.
Vor Euch liegt noch viel Leben. Seht euch vor. Es sind schon bessere gescheitert.
Jesus redet über sich: Ich bin der gute Hirte und ich lasse mein Leben für die Schafe. - Jesus ist für uns gestorben. Niemand hat größere Liebe, als der sein Leben lässt für seine Freunde.
Wenn ein Schaf verloren gegangen ist, macht er sich auf die Suche.
Er hat nämlich noch andere Schafe, die sind nicht in dieser Herde. Aber die braucht er auch noch. Sind wir bereit, mit ihm zu gehen? Sind wir bereit, andere mit hinein zu lassen in unsere Freundeskreise? Sind wir offen für die Menschen, zu denen Jesus geht?
Folgen wir doch Jesus. Ein schlaues Schaf kennt nicht den Weg, aber es hält sich zum Hirten.
Liebe Konfirmanden, es ist ja nicht so, dass Jesus der einzige Hirte wäre.
Es ist ja nicht so, dass es keine Alternativen gäbe.
Ihr könnt Euch vielleicht jetzt am Ende der Konfirmandenzeit vorstellen, wie ein Leben mit Jesus für Euch aussehen könnte. Zumindest die nächsten Schritte auf diesem Weg.
Aber Euch werden auch viele andere Wege angeboten.
Ihr könnt Euch auf den Spaß-Weg begeben. Maximale Unterhaltung bei minimalem Aufwand. Viele machen das.
Oder Ihr geht auf den Karriere-Weg. Maximales Strebertum bei maximaler Kohle.
Oder Ihr verzichtet auf das Gehen und sagt, es hat eh alles keinen Sinn.
Ihr Lieben, wem werdet Ihr folgen?
Da sind nämlich ein Haufen Leute, die was von Euch wollen. Die wollen, dass Ihr in ihrem Verein mitmacht. Weil sie irgendein Projekt haben und halt Leute suchen, die mitmachen. Oder sie kommandieren gern.
Oder sie wollen Euch was verkaufen. Das sind wahrscheinlich die meisten. Sobald Ihr ein bisschen Geld in der Tasche habt, findet sich jemand, der will es euch aus der Tasche ziehen. Und dann denken sie sich etwas aus, und erzählen, dass man das unbedingt braucht, um nicht negativ aufzufallen, und zu den uncoolen zu gehören, die das nicht haben.
So sind die Hirten, denen die Schafe nicht gehören. Sie übernehmen keine Verantwortung für Dich. Wenn Du nicht das machst, was sie wollen, dann brauchen sie Dich nicht mehr. Dann suchen sie sich andere dumme Schafe. - zum Schlachten, oder zum Melken. Darum geht es ihnen nämlich. Die Leben von Dir, die können Dir den Weg nicht zeigen.
Dann lassen wir es halt, mit den Hirten und machen unser eigenes Ding. Allein ist blöd, also bleiben wir bei der Herde.
Ist ziemlich einfach zu beobachten, dieser Herdentrieb. Wenn im Kino einer hustet, dann fangen auch gleich fünf andere an.
Das ist aber schon ganz gut so, denn wir haben ja wirklich keine andere Orientierung. Wir kennen den Weg nicht. Egal, ob wir schlau sind oder dumm. Niemand kennt den Weg. Wir wissen nur: Allein ist es gefährlich. Es ist klüger, wenn man sich zur Herde hält.
Liebe Konfirmanden, heute werdet Ihr Euch feierlich geloben, dass Ihr Euch zur Kirchengemeinde halten werdet.
Aber was unterscheidet uns von den anderen Herden, denen wir folgen können? Wir kennen den Weg auch nicht. Keiner von uns kennt den Weg. Wir sind alle wie die Schafe.
Was unterscheidet uns?
- die Bibel
- und das Beten
Wir sind im Gespräch mit dem Hirten. Er leitet uns. Das hier ist eine Herde, die in ständiger Verbindung mit dem guten Hirten ist. Deswegen kommen wir hier immer mal wieder voran in eine gute Richtung. Hier hört ihr seine Stimme. Ihr habt sie schon gehört, und ihr werdet sie wieder hören. Vielen anderen vor Euch ist es so gegangen.
Ein schlaues Schaf kennt nicht den Weg, aber es hält sich zum Hirten.
Früher, da konnten wir uns damit ganz leicht identifizieren. Als kleine Kinder, da konnten wir vertrauen. Da haben wir vor dem Einschlafen gebetet. Und geglaubt: Jetzt passt der liebe Gott auf uns auf. Ich denke, viele von uns hatten einmal dieses kindliche Vertrauen zu Gott.
Es war schön. Aber irgendwann ist es in Frage gestellt worden. Vielleicht ist etwas Schlimmes passiert. Oder ein Mensch hat mich enttäuscht, und da hat auch meinen Glauben an Gott erschüttert. Weil ich das Gefühl hatte, dass er mich vielleicht doch nicht beschützt, wenn ich mich nicht mal auf die Menschen verlassen kann, denen ich immer vertraut habe.
Vertrauen ist ein zartes und zerbrechliches Pflänzchen. Es verträgt keine Fußtritte.
Wir werden erwachsen. Wir haben gelernt, nicht jedem zu vertrauen. Wir haben gelernt, unsere Entscheidungen selbst zu treffen.
Ich glaube, uns allen ist es so gegangen, wie es Euch Konfis vielleicht zurzeit geht: Wir waren einmal ganz nah bei dem guten Hirten, und wir waren gern ein kleines Schäfchen, dass er behütet, auf das er aufpasst.
Aber heute sagt irgendetwas in uns: Ich - ich bin doch kein dummes Schaf. Ich kann selbst entscheiden, was ich tue.
Aber gleichzeitig ist da auch diese Unsicherheit. Meine Welt ist größer geworden, ja, aber dabei eben auch unsicherer. Die Grenzen rücken langsam in die Ferne. Und ich merke, dass es nicht mehr so einfach ist, Entscheidungen zu treffen, weil ich selbst für die Folgen gerade stehen muss, jetzt, wo ich erwachsen bin.
Ich bin erwachsen! Ich möchte kein dummes Schaf mehr sein. - Aber: ein Schaf bin ich trotzdem. Ein Wesen, das auf andere angewiesen ist. Ein Wesen, dass den Weg nicht kennt, den es gehen muss.
Ein schlaues Schaf kennt nicht den Weg, aber es hält sich zum Hirten.
Ich will Euch mal ein Geheimnis sagen: In einer Herde gehen wir immer, ob wir wollen oder nicht. Wir können es nicht anders. Die Frage ist nur, in welcher Herde wir gehen. Das ist die einzige Frage, die ich Euch heute stellen werde: Wollt Ihr dazugehören.
Es gibt nämlich Hirten und Herden, in denen herrscht der Zwang. Man muss alles machen, wie die anderen, damit man dazu gehört. Den ganzen Tag rennt man herum und macht, was andere von einem wollen. Viele leben so.
Aber bei Jesus ist das anders. Er will Dich frei machen. In seiner Herde sind die Schafe frei. Klingt komisch, is aber so. Bei Jesus ist Freiheit.
Ein schlaues Schaf kennt nicht den Weg, aber es hält sich zum Hirten. Zum Schluss sagt Jesus noch: Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.
Wenn wir bei Jesus bleiben wollen, dann müssen wir seine Stimme hören. Wir müssen sie heraushören zwischen den vielen Stimmen, die alle etwas von uns wollen. Wie können wir sie erkennen?
Das erste ist: Bei der Herde bleiben. Bei der richtigen Herde. Bei der, die Bibel liest und betet. Hier helfen wir uns gegenseitig beim Hören auf Gott. Wir brauchen das. Alle.
"Meine Schafe hören meine Stimme" - das muss man sich so vorstellen: Im Orient ist es so, dass eine bestimmte Herde auf einen bestimmten Ruf reagiert. Der Hirte ruft zum Beispiel A-U-E, oder er pfeift auf eine bestimmte weise und seine Schafe folgen ihm. Die Lämmchen lernen es von den Alten, sie gehen einfach mit, und ihr Leben lang machen sie die Erfahrung: Es ist gut, dieser Stimme zu folgen. Der Ruf führt sie auf die gute Weide, und zum frischen Wasser, wo sie wieder Kraft schöpfen, und im dunklen Tal weist sie den Weg und gibt Mut.
Ein schlaues Schaf kennt nicht den Weg, aber es hält sich zum Hirten.
Wenn wir die Stimme des guten Hirten erkennen wollen - auch dann, wenn es drauf an kommt - dann müssen wir üben. Wenn wir nur ein mal im Jahr ein Stoßgebet zum Himmel schicken, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn wir das Gefühl haben, Gott ist weit weg, und wenn wir nicht wissen, welchen Weg wir gehen sollen.
Wenn wir aber jeden Tag die Verbindung halten, dass Gebet und Gottes Wort ein fester Bestandteil unseres Alltags werden, dann werden wir dem Hirten folgen, dann wird er uns den Weg zeigen, und wir brauchen uns vor nichts zu fürchten, weil einer für uns sorgt, der mächtig ist. Der ist unser Hirte, der der Sünde, der Krankheit und dem Tod die Stirn gezeigt hat, und der als Sieger davongegangen ist - und der voll zärtlicher Liebe ist für jeden von uns.
Ein schlaues Schaf kennt nicht den Weg, aber es hält sich zum Hirten.
Amen.
Otto Guggemos