Vom Beten

Johannes 16,23-33

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserm Herrn Jesus Christus.

Gott um alles Bitten

"Wahrlich ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen." Hört sich gut an, oder? Wir bitten Gott um etwas, und wir bekommen es. Die meisten von uns haben ihre Erfahrungen mit dem Gebet. Gute und schlechte. Neulich hat mir eine alte Dame hier in dieser Kirche erzählt, dass eine Großnichte durch ihr Gebet von einer schweren Krankheit geheilt worden ist. Die Dankbarkeit war groß.

Aber ich erinnere mich auch an einen Jugendlichen, der um das Leben seines Hundes gebetet hat, und der Hund ist gestorben. Das hat den Glauben dieses Jugendlichen zutiefst in Frage gestellt. Seitdem habe ich ihn nicht mehr in der Kirche gesehen.

Es wäre wirklich einmal interessant, wenn wir uns die Geschichten erzählen würden, die wir mit dem Gebet erleben haben. Ich wette, dass es in dieser Runde einige gibt, die Erlebnisse berichten können, die an ein Wunder grenzen - und andere, deren kindliches Zutrauen zu Gott an einem nicht erfüllten Gebet zerbrochen ist.

Wer betet, der kann viel erleben, positiv und negativ. Wer betet, der konfrontiert seinen Glauben mit der Realität.

Im Namen Jesu bitten

Dietrich Bonhoeffer hat einen klugen Satz gesagt: "Gott erhört alle unsere Gebete, aber er erfüllt nicht alle unsere Wünsche." Hm. Klingt ernst. Aber es ist doch so. Viele haben zu Gott bestenfalls eine Beziehung wie zu einem Coca-Cola-Automaten. Oben ein Gebet einwerfen und unten kommt der erfüllte Wunsch raus.

Gott ist aber kein Automat. Er ist Gott unser Vater. Und so sollen wir mit ihm reden.

Vielleicht liegt es daran, dass wir eigentlich noch nie so gebetet haben, wie wir sollen. Unsere Gebete waren vielleicht oft ziemlich eigennützig. So nach dem Motto: "Lieber Gott, mach, dass alle denken, dass der Max das Fenster zerbrochen hat, und nicht ich."

Jesus hat aber gesagt: "Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen."

Liebe Gemeinde, im Vater unser beten wir: "dein Wille geschehe" - viele haben sich schon gefragt, warum wir das eigentlich tun. Viele denken so: Ich sage Gott halt, was ich will, aber eigentlich weiß er eh schon, was er vor hat, und deswegen sag ich vorsichtshalber "dein Wille geschehe." Es gibt bei uns Christen eine Menge Schicksalsgläubigkeit. Und wir denken, das wäre besonders fromm, wenn wir nach jeder Bitte sagen, dass Gott es gern auch anders machen kann.

Liebe Gemeinde: Das Gegenteil ist der Fall. Wir beten nicht, obwohl Gottes Wille sowieso geschieht, sondern wir beten, weil viel zu viel passiert, was Gott eben nicht will!. Glauben Sie, dass Gott will, dass wir krank sind und sterben? Glauben Sie, dass Gott will, dass Menschen einander belügen, beleidigen, die Köpfe einschlagen? Das ist nicht der Wille Gottes, den er uns offenbart hat.

Gott erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber er will uns segnen. Nur will er eben durch uns handeln und nicht an uns vorbei. Darum ist beten eine Art, wie wir uns ihm zur Verfügung stellen.

Wir beten "dein Wille geschehe" nicht weil wir willenlos in unser Schicksal einwilligen, sondern weil wir wollen, dass ER eingreift und uns NICHT unserem Schicksal überlässt. Gott ist kein blindes Schicksal. Er ist der Vater im Himmel.

Es geht um die Beziehung zu Gott

Um den geht es nämlich beim Beten. Um den Vater, und darum, dass wir uns benehmen wie seine Kinder. Alles, was Jesus über das Gebet sagt läuft darauf hinaus, läuft auf die Beziehung hinaus.

"Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei." - "denn er selbst, der Vater, hat euch lieb" - " Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten will; denn er selbst, der Vater, hat euch lieb." Nichts und niemand steht zwischen Gott und mir. Nicht einmal Jesus selbst steht dazwischen. Er ist der Mittler, ja, er stellt die Beziehung her. Aber es ist eine Beziehung mit Gott selbst. Das ist etwas ganz großes. Wir sollten das nicht gering schätzen. Gott selbst - der Schöpfer des Universums - nimmt sich für uns Zeit, weil er uns lieb hat.

Wie schade, wenn wir eine Gelegenheit auslassen, mit ihm zu reden.

Meine Gebetsbiographie

Der Tag der Jubelkonfirmation ist ja auch ein Tag, an dem man zurückschaut, auf den Weg, den Gott mit einem gegangen ist. Ich habe mal bei mir angefangen zu überlegen.

Als Kind habe ich Gebete gelernt, die wahrscheinlich die meisten kennen: Danket dem Herrn, denn er ist freundlich ... vor dem Essen, und vor dem Schlafengehen ein anderes Gebet. Ich weiß nicht mehr welches. Ich weiß nur noch, dass meine Großmutter immer "Amen gute nacht" sagte, in einem Atemzug.

Und dann erinnere ich mich, wie meine Mutter einmal, als ich krank war, darum gebetet hat, dass ich wieder gesund werde, ganz konkret. Ich weiß noch genau, dass das für mich damals ein ganz besonders heiliger Moment war. Ich habe gemerkt, dass dieses Gebet etwas mit meinem Leben zu tun hat.

Ach ja, und dann war da noch dieses Jahr, in dem ich mir ein Weihnachtsgeschenk ausgesucht habe, und inbrünstig gebetet habe, dass Gott die Erde ein bisschen schneller dreht, weil ich Weihnachten nicht erwarten konnte. Beziehungsweise, ich konnte ja schon, denn irgendwann wurde dann ja Weihnachten.

So war das als Kind.

Als Jugendlicher habe ich dann Gott immer ernster genommen und gemerkt, dass er meine Gebete auch ernst genommen hat. Manchmal bin ich sogar erschrocken, wie direkt Gott Gebete beantwortet hat. Einmal hat er mir sogar einen Platten am Fahrrad geflickt.

Zu einer lebendigen Beziehung gehören auch Meinungsverschiedenheiten. Und auch das habe ich erlebt, dass ich Gott um etwas gebeten habe, und gemerkt habe, dass er etwas ganz anderes von mir will.

Das war überhaupt das Spannendste für mich zu erleben, dass Gott durch mein Gebet auch mich selbst verändert. Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, für Menschen zu beten, mit denen ich nicht umgehen konnte. Meistens hat Gott mir die Augen geöffnet, und ich habe kapiert, was da falsch lief zwischen dem anderen und mir, manchmal hat ER es dann verändert - oder ich konnte es selbst ändern.

Beten ist mehr als Bitten

Aber Beten ist nicht nur bitten. Wie arm wäre eine Beziehung, in der nur immer der eine sagt, was er vom anderen will. Zum Beten gehört auch, dass man seine Freude mit Gott teilt, dankt, lobt.

Zu einer Beziehung gehört auch das Hören: Still sein bei Gott, Meditation. Ich genieße das oft: Einfach vor Gott still zu sein, ihm etwas zu sagen und dann zu hören, was er sagt. Ich nehme mir ein Bibelwort vor und bewege es Zehn Minuten in meinem Herzen. Wir Christen haben spirituelle Wurzeln, Traditionen und Lehrer der Meditation. Es wäre schade, wenn wir sie nicht pflegen würden und stattdessen zum Joga-Lehrer laufen. Ich meditiere ich öfters mit Schulklassen. Ich bin immer noch völlig überrascht, wie gern die das machen. Weil sie auch die Stille brauchen, und merken, dass Gottes Wort in ihrem Herzen klingt.

Zum Beten gehört auch die Klage dazu. Wenn man Gott nicht versteht, dass man es ihm ins Gesicht sagt, was einen belastet. Unbeschönigt. Und dann darf man auch gegen seine Feinde beten. Es ist nämlich besser, Gott seinen Ärger anzuvertrauen - auch ganz ungeschminkt - als einem Feind das anzutun, was man ihm wünscht. Es gibt Zeiten im Leben, wo das einzige ernsthafte Gebet, das wir formulieren können, Gott anklagt. Dann muss man es auch tun. Haben Sie das Gefühl, Gott hat Sie betrogen, im Stich gelassen? Dann sagen Sie's ihm wie es ist. Nichts ist schlimmer als ein unehrliches Gebet.

Vielleicht ist es sogar so etwas wie der Meister-Schlüssel zum Gebet, das einfach grundlegende, ohne das wir gar nicht beten können. Wir können nur beten, wenn wir wirklich hilflos sind. Die Heiden meinen, sie könnten Gott zu etwas überreden, wenn sie viele schöne Worte machen, und vielleicht Opfer bringen. Aber so ist Gebet nicht. Wir beten erst richtig, wenn wir unsere Hilflosigkeit vor Gott eingestehen. Dann stehen wir Gott nicht mehr im Wege.

Sehen Sie, die Zeiten, wo ich die tiefsten Erfahrungen mit dem Gebet gemacht habe, Zeiten, in denen Gott mich ganz nah an sein Herz gezogen hat, das waren nicht die Zeiten, wo es mir von außen gesehen gut ging. Es waren Krisen-Zeiten. Aber wenn ich heute zurückschaue, dann merke ich: Es waren gute Zeiten, weil ich damals genau wusste, dass Gott für mich da ist, ich war ihm nie näher. Und jetzt wo es mir gut geht, zehre ich von diesen Erfahrungen.

Zwei Dinge über das Beten habe ich gelernt, auf meinem Weg mit Gott: Beim Beten komme ich Gottes Herz nahe, ich kann ihm meine Situation hinhalten und auf ihn hören. Beten ist für mich in erster Linie Gott nahe sein. Audienz bei Gott, Vertrautes Zwiegespräch bei meinem Vater im Himmel.

Und: ich möchte konkret und ehrlich beten. Denn nur dann ist es mein Leben, das mit Gott in Verbindung kommt. Sonst bleibt es frommer Schein. Außerdem werde ich nie erfahren, ob Gott Gebete erhört, wenn ich nicht konkret bete.

Sehnsucht nach Frieden: Angst und Geborgenheit in der Welt

Am Ende unseres Predigttextes sagt Jesus: "In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden." Und das ist es, was Gebet bringt:

"In der Welt habt ihr Angst." - Niemand beschönigt etwas. Allein das ist schon tröstlich. Wenn ich zu meiner Angst Angst sagen darf, und zu meinem Ärger Ärger und zu meinem Schmerz Schmerz. Jesus beschönigt es nicht und er wischt es nicht weg. Das

"Aber seid getrost ..." - Wir sind in Gottes Hand. Das gibt Kraft und langen Atem. Wer das Licht am Horizont sieht, der kann auch durch die Nacht gehen. Der ist getrost.

"... ich habe die Welt überwunden." - Wir müssen nicht dulden, weil die Welt halt so ist, sondern wir können widerstehen, weil die Welt nicht bleiben muss, wie sie ist. Sie hat nicht das letzte Wort. Gott hat das letzte Wort.

Ich denke, wir brauchen beides zum Leben: Geduld und Ungeduld. Die Geduld, in schwierigen Situationen den Mut nicht zu verlieren und die Ungeduld, die uns dazu bringt, etwas zu verändern. Uns oder die Situation.

Gebet bringt beides. Beten hilft.

Gebet

Herr, lehre uns beten ...

Lied Wer nur den lieben Gott lässt walten 369,1.2.6.7

Otto Guggemos

 

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